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Einführung der strafrechtlichen Verantwortung von Unternehmen

Am 13.11.2015 verabschiedete der Nationalrat der Slowakischen Republik das Gesetz zur strafrechtlichen Verantwortung von Unternehmen und zur Änderung und Ergänzung einiger Gesetze, das am 01.07.2016 wirksam werden soll. Das Gesetz wurde sowohl auf Grundlage des Plans der Gesetzgebungsaufgaben der Regierung der Slowakischen Republik für 2013 als auch auf Grundlage des Regierungsbeschlusses, der die Sicherstellung der Erfüllung der Empfehlungen des OECD für Bestechung in internationalen Geschäftstransaktionen für die Slowakische Republik betrifft, des Regierungsbeschlusses zum Aktionsplan zur Bekämpfung von Steuerhinterziehungen für 2012 bis 2016 u.a. erstellt. Das Gesetz regelt die Grundlagen der strafrechtlichen Verantwortung von Unternehmen, Strafen, die den Unternehmen auferlegt werden, sowie den Vorgang der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte im Strafverfahren gegen Unternehmen.

 

Das Gesetz stellt nicht die erste Initiative der Lösung der Problematik der Einführung der strafrechtlichen Verantwortung von Unternehmen dar. Die ersten Vorschläge fielen bereits im Rahmen der Rekodifizierung des Strafrechtes in 2005 sowie in Form von Sondergesetzen in den Jahren 2006 und 2007; keiner dieser Versuche wurde jedoch verabschiedet. Die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen wurde in die Rechtsordnung der Slowakischen Republik erst in 2010 eingeführt, auch wenn in indirekter Form der sog. pseudo-strafrechtlichen Verantwortung. Es handelt sich um ein Modell, nach dem die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen nicht formal rechtlich dargelegt ist und nur die im Namen der Unternehmen handelnden natürlichen Personen strafrechtlich verantwortlich sind, das Gesetz ermöglicht es aber gleichzeitig, den Unternehmen einige strafrechtliche Sanktionen aufzuerlegen, die nicht als Strafen, sondern als Schutzmaßnahmen definiert sind. Den Unternehmen werden somit diese Schutzmaßnahmen nicht als Folge der Begehung einer Straftat auferlegt, sondern im Interesse des Schutzes der Gesellschaft vor Straftaten. Solche Schutzmaßnahmen sind die Beschlagnahme eines Geldbetrags und die Beschlagnahme des Vermögens. Nach den bisher erhobenen statistischen Daten wurden jedoch diese Schutzmaßnahmen in keinem einzigen Falle auferlegt. Das erwähnte Konzept wurde im Gebiet der Europäischen Union („EU“) nur von der Slowakei nach dem Vorbild Spaniens eingeführt, diese hat allerdings in 2010 von diesem Konzept abgesehen. Sonstige EU-Länder erlegen den Unternehmen im Strafverfahren Strafen oder Schutzmaßnahmen in Form von Straffolgen einer durch eine für das Unternehmen handelnde natürliche Person begangenen Straftat in Form der Zurechenbarkeit dem Unternehmen auf. Die einzige Ausnahme ist die Bundesrepublik Deutschland, in der Unternehmen mit Normen des Verwaltungsstrafrechts geahndet werden, wo über die Sanktion in erster Stufe durch das Verwaltungsorgan und im Berufungsverfahren durch das Gericht entschieden wird.

Wie die Gesetzesbegründung anführt, verletzt das eigentliche Wesen der strafrechtlichen Verantwortung von Unternehmen die Grundsätze des kontinentalen Modells des Strafrechts, insbesondere in Bezug auf den bisherigen streng individuellen Charakter der strafrechtlichen Verantwortung (d.h. ihre Wahrnehmung als Verantwortung einer natürlichen Person). Andererseits ist es jedoch erforderlich, sich an die aktuellen, mit gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Veränderungen zusammenhängenden Entwicklungstrends anzupassen. Diese Trends erfordern nicht nur die Reaktion des Staates, sondern sind oft Äußerung des Willens einer bestimmten internationalen Gemeinschaft. Die Pflicht zur Ahndung eines Unternehmens, falls im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit eine Straftat begangen wurde, ergibt sich für die Slowakische Republik aus zahlreichen internationalen und multinationalen Verpflichtungen (u.a. ist es insbesondere die Konvention zur Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr).

Das Gesetz führt eine taxative Auflistung von Straftaten an, die im Sonderteil des Gesetzes Nr. 300/2005 Z.z. Strafgesetz, i.d.g.F. (nachfolgend nur das „Strafgesetz“) geregelt sind und bei denen die strafrechtliche Verantwortung eines Unternehmens eintritt, falls die Straftat in einer durch das Gesetz bestimmten Art und Weise begangen wird. Es handelt sich um ziemlich breite Skala von Straftaten aus allen Büchern des Strafgesetzes:

  1. a) von den Straftaten gegen Leben und Gesundheit ist es z.B. die unerlaubte Herstellung von Betäubungs- und psychotropen Stoffen, Giften oder Vorläufern, deren Aufbewahrung oder Handel;
  2. b) von den Straftaten gegen Freiheit und Menschenwürde ist es der Menschenhandel;
  3. c) von den Straftaten gegen Vermögen ist es die Legalisierung der Einkommen aus Straftaten, Wucher, unbefugte Beschäftigung u.a.;
  4. d) eine der größten Gruppen bilden die wirtschaftlichen Straftaten (z.B. Benachteiligung des Verbrauchers, Nachahmung, Veränderung und unbefugte Herstellung von Geld und Wertpapieren oder steuerliche Straftaten);
  5. e) von den allgemein gefährlichen Straftaten und Straftaten gegen Umwelt ist es z.B. unerlaubte Bewaffnung und Waffenhandel, Umweltgefährdung und -schädigung;
  6. f) von den Straftaten gegen die öffentliche Ordnung ist es insbesondere die Straftat der Korruption u. a.

Was die Bedingungen für die Ableitung der strafrechtlichen Verantwortung gegenüber einem Unternehmen angeht, so gilt als Straftat im Sinne des Gesetzes als durch ein Unternehmen begangene Straftat eine solche Straftat, die zu seinem Gunsten, in seinem Namen, im Rahmen seiner Tätigkeit oder mit seiner Hilfe begangen wurde, soweit (i) das Leitungsorgan oder ein Mitglied des Leitungsorgans, (ii) derjenige, der die Kontrolltätigkeit oder Aufsicht im Rahmen des Unternehmens ausübt, oder (iii) eine andere Person, die berechtigt ist, das Unternehmen zu vertreten oder dafür zu entscheiden, gehandelt hat. Die Straftat gilt als durch das Unternehmen begangene Straftat auch denn, wenn eine der vorgenannten Personen durch unzulängliche Aufsicht oder Kontrolle die Begehung der Straftat durch eine Person, die im Rahmen der ihr durch das Unternehmen anvertrauten Berechtigungen gehandelt hatte, ermöglicht hat. Die Ableitung der strafrechtlichen Verantwortung des Unternehmens setzt nicht die Ableitung der strafrechtlichen Verantwortung einer natürlichen Person voraus, und gleichzeitig wird geregelt, dass die strafrechtliche Verantwortung eines Unternehmens auch durch Konkurseröffnung, Liquidationseintritt, Auflösung des Unternehmens oder Einführung einer Zwangsverwaltung nicht erlischt. Von der strafrechtlichen Verantwortung im Sinne des Gesetzes ausgeschlossen sind jedoch der Staat und staatliche und Selbstverwaltungsorgane.

Den Unternehmen werden natürlich nicht alle Arten von Strafen auferlegt werden können, die das Strafgesetz für natürliche Personen vorsieht. Für die Kategorie der Unternehmen wurden auch neue, spezifische Arten von Strafen eingeführt. In Betracht kommen Auflösung des Unternehmens, Verfall des Vermögens oder einer Sache, Geldstrafe, Tätigkeitsverbot, Verbot zur Annahme von Beihilfen und Subventionen, Verbot der Entgegennahme von Beihilfen aus EU-Fonds, Verbot der Teilnahme an Ausschreibungen oder Veröffentlichung des verurteilenden Urteils. Bei der Auferlegung der Strafe berücksichtigt das Gericht auch solche Aspekte wie den geringstmöglichen Einfluss auf die Mitarbeiter des Unternehmens oder rechtlich geschützte Interessen der Gläubiger des Unternehmens.

In Folge der Änderungen, die das Gesetz mit sich bringt, kam es gleichzeitig zur unerlässlichen Novellierung zahlreicher zusammenhängender Gesetze. Außer den einschlägigen strafrechtlichen Vorschriften (Strafgesetz, Strafordnung u.a.) sind es auch Gesetze, die die amtliche Evidenz regeln, in der die Unternehmen bei ihrer Entstehung eingetragen werden (Handelsregister), und zwar in Bezug auf die Erweiterung der über die Unternehmen zu erfassenden Angaben um auferlegte Strafen und Schutzmaßnahmen. Weiter handelt es sich um Gesetze zur Regulierung des Erlasses von Genehmigungen, Lizenzen oder Berechtigungen für die Ausübung diverser spezialisierten Tätigkeiten, für deren Erteilung ein Nachweis der Unbescholtenheit erforderlich ist. Es war bisher notwendig, dass die Bedingung der Unbescholtenheit auch auf Seiten des vertretungsbefugten Organs des Unternehmens bzw. der Mitglieder seiner Aufsichtsorgane erfüllt ist. Dieses Konzept bleibt unverändert, allerdings kommt nun der Nachweis der Unbescholtenheit auch für das Unternehmen als Antragsteller selbst hinzu.

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